Prolog zum weißen Raben

Montag, den 01. Mai 2023 um 00:00 Uhr

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Prolog zum weißen Raben
Die Queen Charlotte Islands
Der Rabe der die Welt erschuf
Die Geschichte geht weiter
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Ein Erlebnis der besonderen Art, hat im Jahre 1999 meine Gedankenwelt nachhaltig beeinflusst. Es ereignete sich, fern ab von meiner Heimat Deutschland, auf einer Inselgruppe vor der Westküste Kanadas. Man nennt sie die Queen Charlotte Islands. Es ist die Heimat einer Gruppe von Menschen, die anders sind als wir. Sehr viel anders. Dieses Ereignis hat dann auch maßgeblich den Entschluss beeinflusst, eine Webseite zu erstellen. Ich wollte Freunden und Interessierten davon erzählen, wie unterschiedlich Leben ist und wie neue Eindrücke auch unser Leben beeinflussen können.

 

Hier beginnt eine, für mich immer noch faszinierende und nicht enden wollende Geschichte.


Meine ersten Eindrücke von den Charlotte Islands

Wenn man leise ist und in die Stille horcht, kann man ihre Trommeln noch hören. Wenn man ganz genau hinschaut, kann man sie manchmal noch tanzen sehen. Die Bäume, das Wasser der Bäche, die Luft, der Himmel - all das hat ihre Geräusche konserviert, ihre Schritte festgehalten. Ich kannte diese Stelle vom letzten Urlaub hier. Tow Hill am Nordzipfel der Queen Charlotte Islands ist seit Jahrhunderten ein spiritueller Ort der Haida-Indianer. Ein Ort der Geheimnisse mitten im Jahrtausende alten Märchenwald. An diesem Morgen schwingt dort ein Weißkopfseeadler auf. Ich habe ihn wohl gestört. Er hat auf der Bruchstelle eines Baumstammes gehockt, zieht steil in den Himmel und anschließend in einer Westkurve Richtung Mclntyre Bay davon.


„Der Seeadler war schon immer da", sagt Uncle Watson, als er mich entdeckt. ,,Nur der Rabe ist noch älter, denn er hat die Welt erschaffen." Der 95-Jährige ist einer der Häuptlinge der Haida. Er kennt ihre Ursprünge, ihre Mythologie, all ihre Geheimnisse. Und so freundlich und verbindlich er ist, so wenig gibt er preis. ,,Die Geschichte erzählen, wie alles begann? Ich kann es nicht. Ich habe sie vergessen", sagt er, während seine linke Hand auf dem Reifen und die rechte auf der Armlehne seines Rollstuhls ruht. Die einst kriegerischen Haida, Schrecken vieler anderer Indianerstämme entlang der Küste British Columbias, zählen zu den noch immer verschlossensten First Nations. Watson wird die Geschichte nicht vergessen haben. Er hat sie im Laufe seines Lebens viele Hundert Mal den jüngeren Stammesbrüdern erzählt. Doch auch ich wollte die ganze Geschichte hören und kam wieder, viele Male. 

 

Im Sommer des Jahres 1997, erschien mein erstes Buch mit dem Titel: Der Weiße Rabe. Der Untertitel lautete: Eine indianische Vision. Magische Begegnungen jenseits von Zeit und Raum. Darin beschrieb ich unter anderem, meine Vorstellungen von der Besiedlung Nordamerikas und speziell die von der Westküste Kanadas und Alaskas. Ein weiterer Baustein bei seiner Entstehung, war die Liebe zu dieser grandiosen Natur und so zählte dieses Land zu meinen beliebtesten Reisezielen. Gleichzeitig sollte es auch als Drehbuch zu einem möglichen Musical dienen. Die beteiligten Protagonisten in dieser Geschichte, wurden bei ihren Entscheidungen, das Überleben ihres Volkes zu sichern, von einem weißen Raben begleitet. Er führte die Urweise, die Älteste diese Stammes, welche ich Aulika nannte, heraus aus all den mörderischen Gefahren der damaligen Zeit. So weit zu meinem Buch.

 


Da ich bereits im Jahre 1982 meinen ersten Urlaub in den nahezu menschenleeren Naturlandschaften Kanadas und Alaskas verbrachte und auch danach nahezu jedes Jahr zum "Indian Summer" dieses Land bereiste, hatte sich ein beachtlicher Freundeskreis entwickelt. Zu einem, er hieß Herbert Metzmeier und war 15 Jahre älter als ich, bestand ein besonders inniges Verhältnis. "Hörb", wie ihn alle seine Freunde nannten, war Darwinist und zutiefst mit der Natur verwurzelt. Es zog ihn im Alter von ca. 20 Jahren, von einer kleinen Stadt in Süddeutschland nach Kanada. Dort arbeitete er viele Jahre als Holzfäller und später als Vormann für eine Heli-Logging-Co. Seine Tätigkeit zog ihn in die entlegensten Gegenden dieses Landes und wenn er von seinen Erlebnissen berichtete, begriff ich wie klein meine Welt zuhause doch war.

 

Ein Ereignis führte dann auch dazu, dass er seine ganze Liebe und spätere Ehefrau Elisabeth kennen lernte. Sie studierte damals Anthropologie. Es war Winter und sie befand sich mit ihrem Säugling in einem Zug, der im Schneesturm stecken geblieben war. Die Rettung der Fahrgäste aus der Luft hätte Tage gedauert, aber glücklicherweise befand sich das Holzfällercamp, in dem Hörb arbeitete, in erreichbarer Nähe. Die Fahrgäste wurden auf die recht spartanisch eingerichteten Holzhütten verteilt. Elisabeth mit ihrem Baby zu Hörb. Diesem Umstand verdankte mein Freund Hörb die Liebe seines Lebens. Einige Jahre später, Lisbeth, wie er sie gewöhnlich nannte, hatte längst ihr Studium beendet und zwei gemeinsame Kinder in die Welt gesetzt, arbeitete nun als Professorin für Anthropologie in Vancouver und Tarrace. Bei einem Besuch im Jahre 1985 lernte ich sie dann kennen und zu schätzen. Nachdem mein erstes Buch, Der Weiße Rabe, 1997 erschien, brachte ich es im darauf folgenden Jahr meinem Freund Hörb mit.

 

Natürlich las es auch Elisabeth, die unter mehreren Sprachen auch perfekt deutsch sprach, mit großem Interesse, wie sie mir später einmal schrieb. Im nächsten Frühjahr befand sie sich im Rahmen ihrer Arbeit als Anthropologin, mit einigen Studierenden, auf den Queen Charlotte Islands, um über ein staatliches, soziales Projekt mit dem Volk der Haida zu sprechen. Der damalige Chief dieser First Nation, berichtete bei ihrer Ankunft mit großem Stolz vom Erscheinen eines weißen Raben in Ihrem Dorf.

 

Amüsiert darüber, erzählte sie ihm daraufhin, dass sie vor einem Jahr von einem Freund aus Deutschland ein Buch bekommen habe, mit dem Titel: Der Weiße Rabe. In diesem Buch, so berichtete sie weiter, schildere der Autor das Erscheinen einen weißen Rabens und die Besiedlung dieses Landes, mit all den damit verbundenen Gefahren. Verdutzt und nahezu ungläubig, wollte der Chief mehr darüber wissen und war der Meinung, dass dieses Buch etwas mit dem Erscheinen des weißen Raben zu tun haben könnte. Nachdem Elisabeth ihre Tätigkeit beendet hatte, musste sie versprechen, ihm sobald als möglich den Kontakt zu mir herzustellen. Einige Tage später rief sie mich an und erzählte mir diese nahezu unglaubliche Geschichte. Natürlich war es nun mein größter Wunsch diesen weißen Raben noch einmal lebend zu sehen.

 

Die Zeit drängte, denn Ornithologen wissen, dass die Überlebenschance eines Albino-Raben nur sehr gering ist und möglicherweise zwei Jahre nicht übersteigt. Ich musste also dringend meine Reisepläne dahingehend ausrichten. Aus verschiedensten Gründen war es mir dann allerdings nicht möglich, länger als zwei Tage auf der Inselgruppe zu verweilen. Dazu kam, dass der Kontakt zum Chef der Haida nicht möglich war. Doch das Glück hatte mich nicht gänzlich verlassen, denn durch einen Zufall sprachen mich zwei Jugendliche Haida an, denen das Benzin ausgegangen war und ich Ihnen helfen konnte. 

 

Sie berichteten, dass sie den Weißen vor etwa einer Stunde auf einem freien Gelände außerhalb des Dorfes gesehen haben. Natürlich fuhr ich sofort dorthin und es dauerte nur wenige Minuten, bis aus dem nahegelegenen Wald der Weiße mit zwei schwarzen Begleitern angeflogen kam. Natürlich erwarteten sie gefüttert zu werden und natürlich hatte ich entsprechendes eingeplant. Nach etwa einer Stunde hatten wir uns bereits aneinander gewöhnt, doch dann brach die Nacht herein. Am nächsten Morgen war ich früh auf den Beinen und hoffte meinen "magischen Freund" wieder zu sehen, was dann tatsächlich auch passierte.

 

Wieder erschien er mit seinen beiden schwarzen Begleitern und sammelte fleißig die Ihnen von mir angebotenen Erdnüsse und andere Leckerbissen. Dabei kam er mir immer näher und fraß mir am Ende meines Kurzbesuchs fast aus der Hand. Die dabei entstandenen Bilder konnten das eindrucksvoll belegen.

 

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Besonders freue ich mich über die Rückmeldung von Kathleen Dalzell, Kuratorin des Port Clements Historical Museum:

 

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